„Auch heute noch: In jeder Klasse gibt es Opfer von Lehrergewalt“
Die öffentliche Berichterstattung der vergangenen Wochen über die Missbrauchsfälle an deutschen Schulen werfen ein Blick auf die aus heutiger Sicht inadäquat und inakzeptabel erscheinenden Erziehungsmethoden der Vergangenheit. Diese beinhalteten auch die körperliche Züchtigung der Schüler durch den Lehrer. Der gesellschaftliche Wandel hat zur Abschaffung des früher als Gewohnheitsrecht anerkannte Züchtigungsrechts der Lehrer geführt.
Gleichwohl kommt es auch heute noch auffallend häufig zu gewalttätigen Übergriffen von Lehrbeauftragten gegenüber ihren Schutzbefohlenen. Wie eine neue wissenschaftliche Studie an bayerischen und thüringischen Schulen unter 600 Schülern belegt, berichten 6,9 % der Befragten davon, bereits mindestens einmal in ihrem Schulleben von einer Lehrkraft geschlagen worden zu sein. „Im Durchschnitt war mindestens ein Schüler pro Klasse schon einmal Ziel körperlicher Gewaltakte eines Lehrers.“ so Dr. Wolfgang Hacker, Leiter der Studie. „Das stimmt nachdenklich. Wir konnten damit Ergebnisse anderer wissenschaftlicher Untersuchungen in Deutschland bestätigen.“ Ein Unterschied der Schularten konnte nicht festgestellt werden. Hauptschüler wie Gymnasiasten und Realschüler berichten gleichermaßen von den körperlichen Übergriffen.
Viele Fälle psychischer Gewalt
Noch weiter verbreitet als die physische ist die psychische Gewalt, die in Form von Beleidigungen und Schmähungen durch den Lehrer auftritt. Nahezu die Hälfte der befragten Schüler berichten von entsprechenden Erfahrungen (47,0 %). 3,7 % der Schüler geben an, sogar „oft“ Ziel verbaler Angriffe ihrer Lehrkräfte zu werden. „Erstaunlicherweise scheinen insbesondere die Gymnasiasten und Gesamtschüler von ihren Lehrern regelrecht ‚fertiggemacht’ zu werden.“ Diese Zahlen geben Grund zur Sorge. „Die Schmerzen einer Ohrfeige vergehen in der Regel spätestens nach ein paar Tagen. Die Folgen psychischer Gewalt sind hingegen objektiv absolut nicht absehbar“, so Hacker. Vielmehr sei anzunehmen, dass Schüler unter Demütigungen und Bloßstellungen durch Lehrer noch viel mehr zu leiden haben als unter körperlicher Gewalt. Hacker ist überzeugt: „Psychische Gewalt kann unter Umständen viel mehr Schaden anrichten als körperliche Misshandlung.“
„Es besteht Handlungsbedarf“
Die Ursachen für die Gewalthandlungen sind unklar. „Wir vermuten, dass einige Lehrer in bestimmten Situationen schlicht überfordert sind. Die Anzahl der zu betreuenden Schüler, die Fülle an zu vermittelnden Unterrichtsstoff, der Verlust von Autorität der Lehrerperson: all das bildet eine Gemengelage, in der sich der einzelne Lehrer befindet und handeln muss.“ so Hacker. „Das könnte ein Erklärungsversuch sein, der aber die Gewalttätigkeiten letztlich nicht rechtfertigen kann.“ Hacker fordert daher Konsequenzen und nimmt die Verantwortlichen aus Politik und Schulverwaltung in die Pflicht. „Offensichtlich besteht ein gewisses Gewaltproblem an unseren Schulen. Dieses müssen wir nicht nur weiter beobachten, sondern bereits im Keim angehen. Regelmäßige Schulungen der Lehrer über Konfliktmanagement könnten hierzu einen ersten Beitrag leisten.“
Quelle: openPR
Dr. Wolfgang Hacker
Nürnberger Straße 69/71
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Tel. 09131 71919-44
Dr. jur. Wolfgang Hacker ist Rechtsanwalt der Kanzlei Bissel + Partner in Erlangen. Für seine Promotion befasste er sich über drei Jahre mit dem Problem der Gewalt an deutschen Schulen. Die mittels standardisiertem Fragebogen durchgeführte Dunkelfeldbefragung von bayerischen und thüringischen Schülern, insbesondere der Sekundarstufe I, analysierte er im Auftrag des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. Franz Streng). Im Januar 2010 veröffentlichte er die Studienergebnisse im S. Roderer Verlag, Regensburg. Titel des Buches ist „Gewalt in der Schule – Analyse einer Schülerbefragung“.
geschrieben von: Neues Unterhaltsames Interessantes von Budoten am: 6.06.2010bisher keine Kommentare
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