Hiroshima und die "christliche Bombe"

Bei meinen Recherchen zum Atombombenabwurf auf Hiroshima bin ich über einen Eintrag auf Wikipedia gestolpert, der ausführt, dass manche Japaner die auf Hiroshima abgeworfene Atombombe auch als „christliche Bombe“ bezeichnet hätten. Da ich hiervon zum ersten Mal hörte wollte ich mehr wissen.
In der Tat, es gibt eine ganze Reihe von Veröffentlichungen in deutschen Medien, insbesondere in älteren Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften aber auch auf diversen Internetseiten.

Schnell stand jedoch fest, dass sich alle diese Publikationen auf ein und dieselbe Quelle bezogen. Zuletzt hatte Peter Bürger, ein Friedensaktivist, in seinem Buch „Hiroshima, der Krieg und die Christen“, erschienen 2005 im Asphalt Verlag (ISBN 3-9807400-7-2) ebenfalls die gleiche Quelle zitiert und schon wurde diese Aussage übernommen und fand recht weite Verbreitung, da Wikipedia eine bekanntermaßen sehr zuverlässige Quelle für ungeprüfte Daten ist.
Der am 27. April 1999 in Wedel verstorbene Pastor i.R. Konrad Lübbert schrieb um 1985 „Manche Japaner nennen noch heute die Atombombe die „christliche“ Bombe, weil sie von Christen entwickelt, von Christen gutgeheißen und von Christen eingesetzt wurde.“
Konrad Lübbert kann zu seinen Quellen nicht mehr befragt werden. Um so bedauerlicher ist aber die Tatsache, dass diese Aussage ungeprüft in zahlreichen Publikationen übernommen wird.
Die von Peter Bürger angeführten Argumente überzeugten mich allein deshalb nicht, weil die äußeren sakralen Bezüge (Trinity = Dreifaltigkeit für die Testbombe oder „Little Boy“ = Bezug auf das Jesuskind) im Grunde keinen Bezug zu den Japaneren erkennen lassen. Davon wussten die Japaner zu jener Zeit nämlich überhaupt nichts. Und schon gleich gar nicht von dem gern als weiteres Argument eingebrachtem Gebet, welches vor dem Start der Enola Gay, jenem Flugzeug von welchem die Bombe auf Hiroshima abgeworfen wurde, gesprochen wurde. Gebete wurden Priestern beider Kriegsparteien gesprochen. Beiden Seiten haben für einen Sieg der eigenen Sache und die sichere Heimkehr der eigenen Soldaten gebetet, was umgekehrt den Triumph über den Feind, also in der Regel den Tod der Soldaten auf der gegnerischen Seite, bedeutete. Es ist in diesem Punkt nichts zu sehen, was einer besonderen Erwähnung bedurft hätte. Da die Japaner vom Inhalt des Gebets ohnehin keine Kenntnis hatten, kann dieses Gebet also erst recht nicht die Ursache für die angebliche Bezeichnung der Atombombe auf Hiroshima als „christliche Bombe“ gewesen sein.
Es verbleibt einzig die Aussage, dass die Bombe von Christen entwickelt, von Christen gutgeheißen und von Christen eingesetzt wurde. Dies mag in einigen Punkten stimmen – aber keineswegs in vollem Umfang, denn zumindest Stalin, der den Einsatz der Bombe bekanntermaßen gleichfalls befürwortete, war mit Sicherheit kein Christ mehr, wenngleich er christliche Wurzeln hatte sogar für einige Jahre das orthodoxe Priesterseminar in Tiflis besuchte.
Ich kann mir ferner beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Japaner nach dem Abwurf der Atombombe religiöse Gründe suchten und das Christentum dafür verantwortlich machten. Die Japaner sind in religiöser Hinsicht überaus tolerant. Weit toleranter als wir uns dies in Europa jemals vorstellen könnten. Es waren die Amerikaner, die Feinde, die diese schreckliche Waffe eingesetzt hatten.
Es gibt noch einen weiteren Punkt, der Widersprüchlichkeiten aufweist: Warum sollte ausgerechnet nur die Bombe auf Hiroshima als „christliche Bombe“ bezeichnet worden sein? Warum nicht auch die Bombe auf Nagasaki? Gerade in Bezug auf Nagasaki wäre nämlich die Widersprüchlichkeit der angeführten Argumente extrem deutlich zu Tage getreten. In Nagasaki wurde nämlich ausgerechnet das christliche Wohnviertel völlig zerstört. Auch wenn die Nagasaki-Bombe ihr eigentliches Ziel getroffen hätte, wären dennoch zahlreiche Christen ums Leben gekommen.
All diese Punkte und Widersprüche ließen mich nicht ruhen, eben weil ich bisher auch noch nie etwas von einer „christlichen Bombe“ gehört hatte.
Da ich ohnehin in Japan war, lag es natürlich nahe zunächst Freunde und Bekannte zu befragen. Doch an wen auch immer ich meine Frage richtete – noch niemand hatte etwas jemals zuvor etwas von einer „christlichen Bombe“ gehört.
Um ganz sicher zu gehen, wandte ich mich an das Friedensmuseum in Hiroshima. Von dort bekam ich auf meine Frage mit nach der „christlichen Bombe“ eine ganz klare und eindeutige Antwort: Dass die Atombombe als „christliche Bombe“ bezeichnet worden sein soll, war dort schlichtweg nicht bekannt. Wer die umfangreichen Aufzeichnungen und die riesige Bibliothek und der angeschlossenen Dokumenten-Sammlung des Friedensmuseums kennt, weiß was das bedeutet.
Der Kurator des Friedensmuseums in Hiroshima, Herr Ariyuki Fukushima, antwortete auf meine Anfrage ob dort etwas über die Bezeichnung der Atombombe als „christliche Bombe“ bekannt sei, wie folgt: „Es ist diesseits nicht bekannt, dass die auf Hiroshima abgeworfene Atombombe auch als „christliche Bombe“ bezeichnet wurde. Über die Bezeichnung als „christliche Bombe“ gibt es hier im Haus keine Bücher oder sonstigen Dokumente. Auch im Archiv des Friedensmuseums von Nagasaki gibt es keine Aufzeichnungen darüber, die dies bestätigen würden.“
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Atombombenabwürfe sind in meinen Augen in jedem Fall zu verurteilen. Weder waren sie kriegsentscheidend noch erforderlich. Ferner ist die extrem hohe Zahl ziviler Opfer durch nichts zu rechtfertigen.
Trotzdem sollte man sich davor hüten, die Atombombenabwürfe zu instrumentalisieren. Ebensowenig wie der Friedenspark von Hiroshima und Nagasaki aus meiner Sicht richtige Ort ist um gegen die friedliche Nutzung der Atomenergie zu demonstrieren, sollte man nicht versuchen die Atombombenabwürfe zu etwas zu machen was sie nicht waren. Religiöse Aspekte und Gedanken haben beim Einsatz der Atombombe wohl auf keiner Seite eine Rolle gespielt. Sicher kann Geschichte immer interpretiert werden, aber Tatsachen können nicht einfach unter den Tisch gekehrt und ignoriert werden. Ebensowenig darf man historische Tatsachen verdrehen oder entstellen, um auf diese Weise den angeblichen Wahrheitsgehalt eigener Gedanken vor aller Welt zu „beweisen“.
Eine Behauptung, die oft genug wiederholt wird, wird für manchen sicher früher oder später zur eigenen Wahrheit, die bewusst oder unbewusst die offenkundigen Widersprüchlichkeiten nicht mehr zu erkennen vermag und blind ist für die Realität.
Die auf den verstorbenen Pastor Konrad Lübbert zurückgehende Aussage, dass „manche Japaner“ die Atombombe als „christliche Bombe“ bezeichnen würden ist jedenfalls nicht durch nachprüfbare Fakten belegt. Dass es diese Bezeichnung wirklich gegeben hat, wage ich jedenfalls stark zu bezweifeln und selbst wenn, dann dürfte es sich bei dem als „manche Japaner“ bezeichneten Personenkreis um eine extrem kleine Gruppe gehandelt haben (wenn es denn überhaupt eine solche war), ein Gruppe so klein, dass die ihnen zugeschriebene Bezeichnung „christliche Bombe“ in keinen Büchern, Dokumenten oder Aufzeichnungen der Friedensmuseen in Hiroshima oder Nagasaki Eingang gefunden hat.
Auf jeden Fall werde ich mich bemühen, diese Informationen bei Wikipedia berichtigen zu lassen, damit einerseits Japanern und Christen durch diese unterstellten Aussagen nicht Unrecht getan und andererseits diese Gedanken durch verlässliche und nachprüfbare Fakten ersetzt werden.
Bildquelle: Wikidpedia
Atompilz über Hiroshima von der Enola Gay aus gesehen.
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geschrieben von: Neues Unterhaltsames Interessantes von Budoten am: 8.04.2012
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