Zehn-Punkte-Papier gegen neues Suizid-Strafgesetz – ein „zahnloser Tiger“?
Dass einige Verbände im Begriff sind, eine Allianz gegen ein verschärftes Sterbehilfeverbot zu schmieden, ist begrüßenswert, wenngleich doch Mathias Kamann in seinem Artikel (Zehn-Punkte-Papier gegen neues Suizid-Strafgesetz*) es auf den Punkt gebracht hat: Allein das Votum gegen eine strikte Verbotsregelung des organisierten Suizids bei einem gleichzeitigen Verzicht eines Regelungsvorschlags dürfte die politisch Verantwortlichen letztlich unbeeindruckt lassen.
Mit dem „Zehn-Punkte-Papier“ haben sich m.E. die Verbände keine besonderen Meriten verdient, entsteht doch der Eindruck, als handele es sich hierbei zunächst auch „nur“ um Botschaften, die noch einer entsprechenden Fundierung bedürfen und so insgesamt dazu beitragen, dass der Sterbehilfediskurs nach wie vor wissenschaftlich „unterbelichtet“ bleibt.
Es reicht nach einer jahrzehntelangen Debatte nicht zu, wenn die Befürworter oder Gegner einer liberalen Sterbehilferegelung sich „schlicht“ auf zentrale Grundrechte berufen, ohne hierzu eine dezidierte rechtsdogmatische Auffassung darzulegen.
Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, als sei es mit der Erwähnung der „Würde des Menschen“ und der „Gewissensfreiheit“ getan, um im Diskurs die politischen Verantwortlichen von einer liberalen Regelung überzeugen zu können.
Angesichts des Umstandes, dass allen voran die humanistischen Verbände seit Jahren im Begriff sind, eine liberale Position einzunehmen, hätte man/frau mehr Substanz für die kommende Debatte erwarten dürfen und es bleibt zu hoffen, dass es den Verbänden in naher Zukunft gelingt, mit dogmatischer Schärfe in einem verfassungsrechtlich bedeutsamen Diskurs über das frei verantwortliche Sterben eines schwersterkrankten oder sterbenden Menschen Position zu beziehen, die gleichsam als Orientierung für die Parlamentarier sachdienlich ist.
Die gegenwärtig brennenden Fragen im Diskurs bleiben auch nach dem „Zehn-Punkte-Papier“ unbeantwortet, als da wäre das demokratiepolitische Argument etwa der BÄK, wonach die Mehrheit eine entsprechende Verbotsnorm der ärztlichen Suizidassistenz verabschiedet hat. In diesem Sinne wäre es zugleich sinnvoll gewesen, die Frage zu beantworten, ob das ärztliche Berufsrecht etwas verbieten darf, was strafrechtlich nicht verboten ist.
Der pauschale Hinweis auf die „Gewissensfreiheit“ (auch der Ärzteschaft) darf nicht darüber hinweg täuschen, dass es durchaus dogmatische Hürden gibt, die auch von den Befürwortern einer Liberalisierung der Sterbehilfe zu nehmen sind.
Die humanistischen Verbände sollten nicht der schlechten Manier so mancher Ärztefunktionäre, Politiker, Ethiker oder Theologen folgen, „Sonntagsreden“ zu schwingen, sondern in der Sache fundiert argumentieren und ernsthaft in Erwägung ziehen, an den Alternativentwurf eines „Sterbehilfegesetzes“ anzuknüpfen.
Es streiten gute verfassungsrechtliche Gründe dafür, eben nicht alles beim „Alten“ zu belassen, sondern für eine gesetzliche Regelung zu streiten, in der sich der hohe Rang der insoweit betroffenen Grundrechte widerspiegelt.
*Die WELT v. 13.03.14,
Quelle: openPR
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Kategorien: Freizeit, Buntes