Wem gehört das Kindersparbuch?
Gottfried hat in seinem langen, arbeitsreichen und nicht immer leichten Leben etwas Geld gespart. In Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit dachte er bereits vor Jahren an seine schwere Jugend zurück und richtete für seine beiden minderjährigen Enkel Mike und Susi jeweils ein Sparbuch bei der Sparkasse ein. In den Sparbüchern wurden Gottfried als Aussteller und Mike bzw. Susi als Kontoinhaber eingetragen. Die Eltern der beiden Kinder, also Gottfrieds Sohn und seine Schwiegertochter, stellten unter dem gleichen Datum gegenüber der Sparkasse Vollmachtsurkunden zu Gunsten von Gottfried aus, wonach dieser unter anderem ermächtigt war, über die Sparkonten der Kinder zu verfügen.
Die beiden Sparbücher erhielt Gottfried. Er zahlte in der Folge auf jedes der Sparbücher 50.000 DM ein. Zwölf Jahre später löste Gottfried die Sparkonten auf und behielt das Geld für sich. Als die inzwischen volljährigen Enkel Mike und Susi von den Sparguthaben erfuhren, widerriefen sie die Gottfried erteilten Vollmachten und verlangten von ihm die Zahlung von je 50.000 DM bzw. nunmehr den entsprechenden EUR-Betrag.
Gottfried lehnte die Zahlung ab, weil er sich die Verfügung über die Sparkonten bis zu seinem Tode vorbehalten habe. Aus diesem Grund habe er die Sparbücher behalten und sich von den Eltern der Kinder die Verfügungsvollmachten erteilen lassen. Das akzeptieren Maik und Susi jedoch nicht, weil die Sparbücher auf ihre Namen ausgestellt waren und ihnen deshalb die Sparguthaben als Inhaber der Sparkonten zustehen würden. Auch Gottfrieds schlechter Gesundheitszustand, seine Aufwendungen für teure Behandlungen, die von der Krankenkasse nicht getragen werden, sowie seine Betreuungs- und Plegebedürftigkeit hielten Mike und Susi nicht davon ab, ihrem Großvater letzte Zahlungsfrist von drei Wochen zu setzen und ihm mit Klageerhebung zu drohen.
Nach dieser Drohung, die Gottfried ernst nahm, fragte er Rudi um Rat. Stehen die Sparguthaben tatsächlich den Enkelkindern zu, oder kann Gottfried das Geld behalten?
Rudi fand heraus, dass in einem ähnlichen Fall ein Landgericht in I. Instanz, und auch das Oberlandesgericht Hamm in II. Instanz, zu Gunsten der Kläger (Enkelkinder) geurteilt hatten, da diese aus § 816 II BGB heraus gegen den Beklagten (Großvater) einen Bereicherungsanspruch besitzen würden, woraus sich ein Herausgabeanspruch aus §§ 812, 818 I BGB ergäbe. Im Revisionsverfahren hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil des Berufungsgerichtes jedoch am 18.01.2005 auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Sachverhaltsaufklärung zurück.
Laut BGH ist aus dem Verhalten eines nahen Angehörigen, der ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will. Bereits in vorangegangenen Entscheidungen hatte der Bundesgerichtshof dargelegt, dass die Einrichtung eines Sparkontos auf den Namen eines anderen für sich allein noch nicht den Schluss auf einen Vertrag zu Gunsten Dritter zulässt (1956 und 1959). Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß Vereinbarung mit der Bank oder Sparkasse Kontoinhaber werden sollte (1994). Ein wesentliches Indiz kann dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt (1970), denn gemäß § 808 BGB kann die Sparkasse an denjenigen, der ein Sparbuch vorlegt, Auszahlungen leisten, ohne dass derjenige, auf den das Sparbuch lautet, die Sparkasse schadenersatzpflichtig machen kann.
Gottfried hat nach Rudis Ansicht aus vorgenannten Gründen gute Erfolgsaussichten, falls er tatsächlich von seinen Enkeln auf Herausgabe des Sparguthabens verklagt werden sollte. Gottfried hätte sich viel Ärger ersparen können, wenn er vor Eröffnung der Sparbücher in einem Vertrag mit den Eltern seiner Enkel alle Einzelheiten schriftlich geregelt hätte.
Rudi rät seit Gottfrieds Fall allen Großeltern, die ihren Kindern oder Enkelkindern in ähnlicher Weise zu Lebzeiten Geldbeträge zuwenden wollen, auf die sie jedoch bis zu ihrem Ableben Zugriff behalten wollen, eindeutige Verträge abzuschließen und sich gegebenenfalls anwaltlich beraten zu lassen. Je nach den Vorstellungen und Wünschen von Großeltern oder anderen Zuwendern sollten die Verträge konkret und unanfechtbar gestaltet werden.
Der Errichtung von eindeutigen Testamenten, der Bestimmung eines Testamentsvollstreckers oder dem Abschluss von Erbverträgen kommt ergänzend ebenfalls Bedeutung zu, wenn man Konflikte zu Lebzeiten und nach Eintritt des Erbfalls in der Verwandtschaft vermeiden will.
(besprochen/mitgeteilt von Rechtsanwalt Bernhard LUDWIG, Bad Langensalza und Gotha)
Quelle: openPR
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Kategorien: Recht, Urteile