Samurai-Erzählung: Der Schüler und der Lehrer (Warum wir trainieren – Teil 1)

samurai„Ein Meister in der Kunst zu leben unterscheidet nicht zwischen Arbeit und Spiel, Alltagsaufgaben und Freizeit, seinem Geist und seinem Körper, seinem Lernen und seiner Erholung, seiner Liebe und seiner Religion. Für ihn ist alles das Gleiche. Er macht immer beides zugleich.“ – Zen-Weisheit
Als ich mit Karate angefangen habe, hörte ich meine Lieblings-Geschichte über die Kampfkünste zum ersten Mal. Heute erzähle ich sie meinen Schülern und – sicher nicht überraschend – auch meinen privaten Klienten und Geschäftskunden. Es geht dabei nicht um außergewöhnliche Heldentaten die Mut und Opferbereitschaft erfordern und es geht auch nicht um das Abschlachten dutzender Feinde oder den Kampf auf Leben und Tod für die Familienehre. Die Geschichte ist einfach zeigt aber ganz klar auf, wie man die grundlegendste aller Lektionen aus den Kampfkünsten – Ruhe und Ausgeglichenheit – in den vielen kleinen und großen Herausforderungen des Alltags anwenden kann.
In der nächsten Ausgabe werde ich einige meiner Gedanken darüber teilen, warum wir eigentlich trainieren.
Der Schüler
Ein sehr begabter junger Samurai ging zu der Schule eines berühmten Lehrers in der Hoffnung als Schüler akzeptiert zu werden. Der Lehrer bitten den Schüler in sein Haus und lädt ihn ein Platz zu nehmen. Wie sie nun einander gegenüber sitzen und darauf warten dass der Tee fertig gezogen ist, beginnt der Schüler dem Lehrer von all seinen Feinden zu erzählen, über die Kämpfe die er gewonnen hatte, über seine Niederlagen und von jenen Begegnungen, in denen er aus seiner Sicht aufgrund ungerechter Bewertungen um den Sieg betrogen wurden war. Er erzählt über die Techniken, die er gemeistert hat, seine eigenen Schüler und was natürlich am Wichtigsten ist, dass er erwartet, dass ihn dieser Lehrer unterrichten wird.
Der Lehrer lächelt freundlich. Er beobachtet. Er hört zu. Er wartet. Endlich ist der Tee fertig und der Lehrer beginnt eine Tasse für seinen Gast zu füllen. Die kleine Tasse ist bereits bis zum Rand gefüllt. Noch immer schaut der Lehrer seinen Gast an und gießt weiter Tee in die Tasse. Die Tasse läuft über und der Tee beginnt auf den Tisch zu laufen und schließlich läuft der Tee vom Tisch herunter und ergießt sich über den Schoß des Schülers.
Für einen kurzen Moment versucht es der Schüler auszuhalten, doch dann springt er schließlich auf und schreit: „Hört auf Meister! Hört auf! Die Tasse ist voll. Ihr könnt nichts mehr hineingießen.“
Der Meister noch immer lächelnd und den Schüler ins Gesicht blickend setzte die Teekanne langsam ab und sprach „Ja. Die Tasse ist wie du. Ganz voll. Ich kann dich nichts leeren solange du nicht mit einer leeren Tasse zu mir kommst.“
Der Lehrer
Im ersten Jahr der Ausbildung unterrichtet der Meister den Schüler täglich. Obwohl viel älter und nicht so stark wie der junge Mann ist der Meister um vieles geschickter und erfahrener. Vom ersten Tag an ist es – wie auch der Schüler nicht anders erwartet hat – nie ein gleiches Spiel. Das Training ist sehr anstrengend, der Meister fordert viel und das hölzerne Übungsschwert des alten Mannes ist sehr, sehr hart. Dazu kommt, dass es niemals einen Augenblick zu geben scheint, in dem der Schüler wirklich sicher ist. Der Meister schlägt ihn unversehens mit einer unvergleichlichen Schnelligkeit, Tag und Nacht, wann immer seine Aufmerksamkeit nachlässt oder er mit seinen Gedanken abschweift.
Neben dem körperlichen Training ist der Schüler auch für den Haushalt und die persönlichen Angelegenheiten des Meisters verantwortlich. Diese Aufgabe ist keineswegs viel leichter. Der Meister hat viele Interessen und ändert seine Pläne von einen Tag auf den anderen, und überhäuft den Schüler zudem mit unzähligen sinnlos erscheinenden Forderungen was viel Zeit und Energie fordert. Obendrein muss sich der Schüler im Auftrag seines Meisters mit einer Vielzahl ignoranter, engstirniger und schrecklicher Leute beschäftigen und bekommt immer neue schier unlösbare Aufgaben übertragen. Jedesmal, ganz gleich wie das Problem gelöst wurde, scheint es dass der junge Mann dem Meister nie recht machen konnte.
Der Schüler
Irgendwann in seiner Ausbildung beginnt der Schüler an sich selbst zu zweifeln. Zum ersten Mal in seinem Leben sxhämt er sich für sein Unvermögen. Er wird nervös und fühlt sich schlecht. Wie sehr er sich auch bemüht, in den Übungskämpfen mit seinem Meister wird er sogar schlechter statt besser. Es gibt viele Momente in denen sich der Scher am liebsten umdrehen und einfach davonlaufen möchte. In einigen besonders schlimmen Augenblicken denkt er gar daran sich selbst das Leben zu nehmen. An anderen Tagen ist er so gereizt, dass er sobald ihn jemand auch nur komisch ansieht, sofort das Schwert ziehen würde um denjenigen zu töten – den Meister eingeschlossen.
Da er sich nicht mehr anders zu helfen weiß, wendet er sich schließlich an seinen Lehrer. Er erzählt dem alten Mann, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung sei. Vielleicht sei er krank. Der alte Mann kennt viele Heilmittel und Behandlungsmethoden – die Leute aus der Gegend kommen alle zu ihm um sich heilen zu lassen. „Bitte Meister,“ sagt der Schüler den Blick gen Boden gerichtet, „es tut mir leid, aber ich bin krank. Bitte hebt mir etwas, damit es mir wieder besser geht. Es gibt bestimmt eine Medizin…“
Der Lehrer
Der Alte blickt den jungen Mann einen schier unendlich dauernden Augenblick schweigend an, und spricht dann mit einer freundlichen Stimme, wie sie der Schüler vor Ewigkeiten das letzte Mal gehört hatte, „Mein Sohn, du bist nicht krank. Du musst nur deine Gefühle kontrollieren. Genau in diesem Augenblick kontrolliert dich dein Ärger. Deine Angst hat Macht über dich. Am schlimmsten jedoch ist, dass du deine Energie damit vergeudest, dich um das sorgen, was morgen sein könnte, ob du gut genug sein wirst, ob du den nächsten Tag überleben wirst. Du bist ein Blatt in dem von die selbst geschaffenen Sturm.“
Der Schüler ist starr vor Schreck – besonders nach all dem, was er bisher ausgehalten hatte. Ärger steigt in ihm hoch und er schlägt mit seiner Faust auf den Tisch und mit Tränen der Wut in den Augen schreit er „Nein Meister! Das ist nicht wahr! Ich bin doch kein Kind, dass seinen Ärger nicht unterdrücken kann. Und, ich habe mich noch nie vor irgendetwas in meinem Leben gefürchtet! Ich hatte viele Feinde und habe viele Kämpfe auf Leben und Tod überstanden…“
Schließlich erlangt der Schüler die Kontrolle über sich zurück und beruhigt sich. Der Lehrer blickt ihn noch immer an und sagt schließlich, „Ich bin. Icht derjenige, den du überzeugen musst. Du musst mir nichts beweisen sondern du musst es dir selbst beweisen.“
Der Schüler
In jener Nacht lag er lange auf seiner Strohmatte wach und starrte übeAnden nächsten Tag nachsinnend an die Decke. Sorgenvoll fragte er sich, „Was, wenn ich nicht gut genug bin?“
Schließlich, wie sollte es auch anders sein, ist die Krise vorüber und die Ausbildung geht weiter.
Plötzlich, wie durch ein Wunder, kann der Schüler seine Gefühle kontrollieren. Von diesem Moment an ist er niemals mehr aufbrausend, er macht sich keine Sorgen mehr, die Angst ist weg. Er sieht auf einm wie durch ein Wunder die Lösung jedes Problems, er kann jeden Gegner der ihn herausfordert bezwingen und er kennt die Antwort auf jedes der Rätsel des Meisters.
Bei den Übungskämpfen kann der alte Mann nicht mehr länger mit ihm herumspielen wie mit einem Kind, sondern steht im Gegenteil vor einer echten Herausforderung. Jetzt kann der Lehrer den Schüler nicht mehr überraschen und ihm einen Schlag versetzen wenn er schläft oder sich auf das Köchen konzentriert oder ihm den Rücken zuwendet um sich im Fluss zu erleichtern.
Von einem Tag auf den anderen erlaubt sich der Schüler keine einzige Lücke in seiner Aufmerksamkeit mehr. Er ist die ganze Zeit über voll konzentriert.
So wurde der junge Schüler ganz zu dem, was er einst an seinem Meister so sehr bewundert hatte – so wie die komische „Großvater“-Uhr, die der alte Mann einst von einem ausländischen Gönner erhalten hatte … Sie lief genau, alles funktioniert wunderbar und obwohl sie ständig läuft stört sie nichts in ihrem Lauf noch wird sie von irgendetwas aus ihrer Gleichmäßigkeit gebracht. Von den wenigen einfachen Besitztümern liebte sein Meister diese am meisten.
Der Lehrer
Eines Tages kam der junge Samurai nach Erfüllung einer ihm vom Meister übertragenen Aufgabe zurück und sieht etwas, was ihn zutiefst schockt. Mit der Hingabe und Konzentration eines faszinierten Kindes sitzt sein Meister lächelnd auf dem Boden in seine Arbeit vertieft. Um ihn herum liegen die Einzelteile der wunderschönen Uhr verstreut. Langsam und geduldig ist er dabei die Uhr Stück für Stück auseinander zu nehmen.
Der Schüler bleibt lange in der Tür stehen. Den Meister beobachtend versucht er zu ergründen, ob dies ein anderer Test sein könnte. Schließlich spricht er den Meister an und fragt ihn, warum er seinen wertvollen Besitz ruiniere. Der alte Mann lacht laut auf, ganz so als ob er sich darüber amüsiere, dass dieser wunderbare Schüler ein weiteres Mal den Kern der Sache verkannt habe. „Mein Sohn,“ spricht er, „du bist sehr stark geworden und du bist sehr effizient aber du hast deine Lebensfreude und den Grund warum du hierher gekommen bist vergessen. Sprich: Warum denkst du tue ich das?“
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung von Edmond Otis ins Deutsche übertragen.
Weitere Teile der Reihe:
Teil 2: Warum wir trainieren – Persönliche Ausgeglichenheit
Teil 3: Der Geist des Anfängers – Warum wir trainieren

geschrieben von: Neues Unterhaltsames Interessantes von Budoten am: 10.01.2013
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