Kann der Erbe Geschenke des Erblassers von Dritten zurückverlangen?
Zuerst verstarb die Mutter von Hans und Elke. Fünf Jahre später verstarb der Vater der beiden Geschwister. Der Nachlass des Vaters reichte gerade für seine Beisetzung aus.
Hans und Elke erfuhren, dass ihre Eltern ein sogenanntes Berliner Testament errichtet hatten. Sie bestimmten sich gegenseitig als Alleinerben und die beiden gemeinsamen Kinder als „Schlußerben“.
Hans und Elke sollten also den „Letztversterbenden“ beerben. Nachdem die Mutter der Geschwister verstorben war, zeigte sich der Vater gegenüber Dritten großzügig. In seiner Lebensversicherung setzte er seine Schwester als Begünstigte ein, die dann rund 50.000 EUR bekam. Hausgrundstücke verschenkte er an entferntere Verwandtschaft und die Nichte erhielt per notarieller Schenkungsurkunde Vermögensgegenstände inkl. eines Grundstücks im Gesamtwert von ca. 85.000 EUR übertragen.
Hans und Elke fordern nun von ihrer Cousine Caroline, also von der Nichte ihres verstorbenen Vaters, die Geschenke des Vaters zurück, weil ihr Vater mit der Schenkung das Ziel verfolgt habe ihr Erbe möglichst zu verringern. Doch die Cousine entgegnet, sie habe ihrem Wohltäter im Gegenzug Wart und Pflege versprochen. Es liege deshalb keine Schenkung vor, die Hans und Elke zurückfordern könnten.
Hans und Elke sind ratlos und fragten Rudi um Rat. Ihnen ist von dem gemeinsamen Erbe ihrer Eltern nichts gelieben, weil ihr Vater entgenen der Bestimmung des gemeinsamen Testaments der Eltern das gesamte Vermögen an Dritte verschenkt und die Kinder damit praktische „enterbt“ hatte. Aus der notariellen Schenkungsurkunde geht auch das angebliche Versprechen der Cousine gegenüber dem Erblasser nicht hervor.
Rudi fand heraus, dass das Landgericht Coburg am 22.01.2001 in einem ähnlichen Fall zu Gunsten der „Schlußerben“ entschieden hatte. Das Gericht führte in jenem Fall aus, dass nicht geklärt werden müsse, ob die Behauptung der Beklagten (Cousine) zutreffe, sie habe für die zugewandten Gegenstände eine Gegenleistung versprochen. Wenn dies der Fall sei, sei die Übertragung formunwirksam und nichtig, weil dann der notarielle Vertrag unrichtig ist. Habe es sich dagegen tatsächlich um eine Schenkung gehandelt, so könne diese ebenfalls keinen Bestand haben. In diesem Fall habe der Vater nämlich in unzulässiger „Beeinträchtigungsabsicht“ gehandelt, die immer anzunehmen sei, wenn der Erblasser durch sein Vorgehen den Schlußerben die Vorteile der Erbeinsetzung entziehen oder schmälern wolle. Wegen der Vielzahl und des Umfanges der unentgeltlichen Verfügungen liege laut Gericht das Fehlen eines sogenannten lebzeitigen Eigeninteresses des Vaters an der Schenkung ? und damit die Beeinträchtigungsabsicht – so klar auf der Hand, dass sich weitere Ausführungen erübrigten. Das Landgericht verurteilte deshalb in jenem Fall die Beschenkte (Cousine) zur Rückgabe der Schenkungen an die Geschwister und Schlußerben.
Rudi riet Hans und Elke sich von ihrer Cousine nicht lange hinhalten zu lassen, denn der Anspruch auf Herausgabe der beeinträchtigenden Schenkungen verjährt gemäß § 2287 Abs. 2 BGB in drei Jahren von dem Anfalle der Erbschaft an.
(besprochen/mitgeteilt von Rechtsanwalt Bernhard LUDWIG, Bad Langensalza und Gotha)
Quelle: openPR
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Kategorien: Recht, Urteile
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