Wir sind so gut wegen des brutalen Trainings

Hat das brutale Training der Japaner wirklich einen Sinn oder sollte man nicht besser all die vielen gesundheitsschädlichen Übungen weglassen? Ein gesundes Training, welches gesundheitsgefährdende Übungen möglichst komplett ausschließt, wäre doch genau das Richtige …‘

Die Japaner sind noch immer für ihr hartes, um nicht zu sagen teils sogar brutales Training bekannt, welches früher noch viel härter war als heutzutage. Der Grund liegt darin, dass sich ein solches Training als effektiv bei der Vermittlung der richtigen Technik erwiesen hat, denn erschöpfte Muskeln führen die Technik am Ende auf jeden Fall richtig aus bzw. versuchen dies zumindest. Da zudem viele (japanische) Lehrer nicht in der Lage sind die physikalischen und biomechanischen Zusammenhänge die bei der (richtigen) Ausführung einer Technik von Bedeutung sind zu erklären, ist die ständige Wiederholung einer Technik die einzige erfolgversprechende Methode in den Augen vieler Lehrer.

Gerade in Bezug auf asiatische Kampfkünste kommt noch ein weiterer wichtiger Punkt hinzu: Die Tradition. Vieles wird allein deshalb nicht geändert, weil man selbst auch durch diese harte Schule gelaufen ist – und geschadet hat es ja nichts … Sicher gibt es immer einfache und beschwerliche Wege.

Ich bin aber der Ansicht, dass man es seinen Schülern nicht schwerer machen sollte als unbedingt nötig. Wenn das Ziel auf andere Weise besser und einfacher zu erreichen ist – warum nicht? Niemand verschließt sich wirklich dem Fortschritt. Oder etwa doch? Mir ist jedenfalls niemand bekannt, der Tontafeln oder Papyrus-Rollen dem bequemen Schreiben von Texten am Computer vorzöge. Was für den Alltag gilt muss auch im Kampfsport gelten. Wie heißt es doch so schön in einer der 20 Karate-Regeln von Gichin Funakoshi: „Denke nicht, dass Karate nur im Dojo stattfindet…“ Überall kann man Karate lernen und anwenden und dies gilt selbstverständlich auch für neue, bessere Unterrichtsmethoden.

Aber ich schweife ab …

Es liegt in der Natur der Dinge, dass viele ihre Erfahrungen auf gleiche oder ähnliche Weise weitergeben, wie sie einst selbst die Erfahrung gemacht haben. Dies gilt im besonderen für asiatische Kampfkünste. Das führt dann im Ergebnis dazu, dass teils noch immer extrem anmutende Übungen zum Einsatz kommen.

Rückblickend auf seine 50-jährige Karate-Laufbahn erinnert sich Safar Sensei besonders an das Auswahlverfahren für den ersten Auslands-Karate-Instructor-Kurs der Japan Karate Association unter Leitung von Masatoshi Nakayama, der in Anfang der 1960er Jahre in den USA stattfand.

Damals gab es verständlicherweise sehr viele, die von den weltbesten Karateka lernen wollten. Wie oft hatte man schon die Gelegenheit den berühmten Instructor-Kurs der JKA noch dazu im eigenen Land zu besuchen und von Meistern wie Nakayama, Okazaki, Nishiyama, Tabata, Mikami, Yaguchi usw. zu lernen? Entsprechend groß war das Interesse. Dies wiederum stellte Nakayama Sensei vor ein Problem, da der Kurs für nur 20 Teilnehmer konzipiert war. Also ging es zur nächstgelegenen Sportarena. Dort angekommen erwartete die Karateka allerdings kein Training sondern eine Tortur der besonderen Art: Nakayama Sensei ging zuerst in die Hocke, dann folgten alle anderen und so ging es Häschen-Hüpf um das Spielfeld. Eine Runde um die andere. Wiederholt drehte sich Nakayama Sensei um, um dann jedoch festzustellen, dass immer noch zu viele durchgehalten hatten. Als er sich nach der X-ten Runde erneut umschaute, waren plötzlich bloß noch 18 dabei. Also holte er diejenigen, die zuletzt ausgeschieden waren wieder zurück, um die zwanzig voll zu bekommen. Von diesen verbliebenen 20 Teilnehmern haben übrigens nur drei den Kurs erfolgreich abgeschlossen. Dies waren Leslie B. Safar, Randall Hassel und Ray Dalke.

Allein dieses Auswahlverfahren zeigt, wie hart die Japaner gegen sich selbst aber auch gegen andere waren.

Im Training selbst, so weiß Safar Sensei zu berichten, mussten sie oft stundenlang im Kokutsu-Dachi oder Zenkutsu-Dachi ausharren und dass ohne sich bewegen. Zu dürfen oder den zitternden Beinen eine kleine Auszeit zu gönnen. Dabei forderte die unbarmherzige Stimme des Lehrers immer wieder „Tiefer!“ … „Noch tiefer!“ … „Nicht aufgeben!“ … Um die Qualen der erschöpften Muskeln noch weiter zu steigern, stiegen die Japaner den bereits mit zitternden Knien und schmerzverzerrten Gesichtern stehenden Trainingsteilnehmern auf die Schultern drückten mit aller Kraft auf die Oberschenkel, gegen die Knie … sie taten einfach alles, um die Übung noch weiter zu erschweren.

Dann gab es diese Trainingseinheiten wo sie einander auf den Schultern saßen und Mae-Geris bis zum Umfallen ausführen mussten … die nicht enden wollenden Dauerläufe in der Gluthitze des amerikanischen Südens ohne trinken zu dürfen … all die vielen „mörderischen“ Übungen, die heute unter gesundheitlichen Gesichtspunkten aus dem Training verbannt wurden …

… all dies führte dazu, dass er – Safar Sensei – sich heute so gut fühlt, so gesund ist. Damals habe er weder den Sinn der Übungen erkannt noch zu schätzen gewusst. Okazaki Sensei liebte ausgedehnte Dauerläufe. Eines Tages fasste sich Safar Sensei ein Herz und fragte Okazaki „Sensei, warum rennen wir immer?“ – „Wieso?“ entgegnete Okazaki Sensei. – „Sensei, wir sind doch keine Pferde, dass wir ständig nur rennen müssen.“ Darauf fragte Okazaki Sensei: „Mag’s Du denn keine Dauerläufe?“ – „Nein, natürlich nicht,“ antwortete Safar Sensei. „Siehst Du – und genau deshalb rennen wir,“ entgegnete Okazaki Sensei. Viele Begebenheiten dieser Art zeigen wie Japaner dachten und denken und ihr Training gestalteten.

Zu jener Zeit ergab dies wie vieles andere keine wirklichen Sinn. Jetzt ist Safar Sensei zu der Überzeugung gelangt, dass genau dieses harte Training ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist.

Auf Facebook entdeckte er jüngst einen Beitrag darüber wie sinnlos doch die alten japanischen Trainingsmethoden seien. Er schrieb darauf, dass dies von außen betrachtet durchaus stimmen mag, aber es genau diese harten vielleicht sogar brutal anmutenden Übungen sind, die den jungen Karateka von damals heute immer noch die notwendige Kraft geben, selbst mit jungen Karateka mühelos mitzuhalten. Diese Übungen sind für die Vorbereitung des Körpers, dem Aufbau der Muskulatur, der Sehnen und Bänder von nicht hoch genug einzuschätzender Bedeutung.

Darauf folgte natürlich sofort eine Reaktion des anderen Parts, nicht wirklich wissend wer da auf seinen Beitrag geantwortet hatte. Er schrieb darauf, dass sobald er (Safar) etwas älter geworden sei, die Sache sicher besser verstehen würde. Darauf schrieb Safar Sensei etwas scherzhaft zurück: „Nun, ich bin jetzt etwas über siebzig Jahre und erfreue mich noch immer bester Gesundheit. Was meinst Du wie alt ich werden muss, bis ich die Sache wirklich verstehe?“

Safar ergänzt in diesem Zusammenhang: Die heute häufig vorkommenden Trainingsverletzungen sind nahezu ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Körper nicht wirklich auf die Trainingsbelastungen vorbereitet sind. Früher gab es nicht so viele Karateka mit Rücken-, Hüft- oder Kniebeschwerden. Diese brutal anmutenden Übungen, dass stundenlange Ausharren in einer Stellung …, all dies hat dazu beigetragen, dass der Körper auf die Trainingsbelastungen vorbereitet und Verletzungen die auf eine unzureichend entwickelte Muskulatur, fehlerhafte Ausführung von Techniken usw. zurückzuführen sind von vornherein ausgeschlossen werden. Der Körper wird in dem Maße wie er technisch besser wird auch gekräftigt und ist damit vorbereitet.

Der Sinn vieler Übungen erschließt sich ohnehin nicht auf den ersten Blick. Es bedarf teils vieler Jahre intensiven Trainings um den Wert einer Übung zu erkennen. Insofern sollte man ein wenig mehr auf den Weitblick und das Wissen des Lehrers vertrauen, statt mit den vorhandenen begrenzten Kenntnissen etwas einschätzen zu wollen, das den eigenen Horizont um vieles übersteigt.

geschrieben von: Neues Unterhaltsames Interessantes von Budoten am: 12.12.2012
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