Welchen Schutz bietet die Anerkennung einer Schwerbehinderung bei drohendem Arbeitsplatzverlust?
In Zeiten der vermehrten Diskussionen um Arbeitsplatzabbau, Werksschließungen (z. B. Nokia, Opel, Thyssen etc., aber auch aktuell E.ON Ruhrgas und RWE) und den damit verbundenen Auswirkungen auf Zuliefererbetriebe und letztendlich auch für die Arbeitnehmer selbst, stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten für die betroffenen Arbeitnehmer bestehen, bei drohendem Verlust des Arbeitsplatzes dennoch die wirtschaftliche Existenz langfristig wenigstens ansatzweise sicher zu können.
Eine Möglichkeit besteht in der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Die Anerkennung einer Schwerbehinderung beinhaltet gem. §§ 85 – 92 SGB IX als wesentliches Kernstück des Schwerbehindertenrechts einen besonderen Kündigungsschutz (gilt neben dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz). Diesen besonderen Kündigungsschutz genießt ein Arbeitnehmer dann, wenn er als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 anerkannt ist. Den besonderen Kündigungsschutz genießen darüber hinaus auch Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30, die in einem besonderen Verfahren von der Agentur für Arbeit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurden. In Situationen, in denen eine solche Feststellung noch nicht abschließend getroffen wurde, besteht ebenfalls die Möglichkeit, den besonderen Kündigungsschutz in Anspruch zu nehmen.
Der besondere Kündigungsschutz gilt danach unter folgenden Voraussetzungen:
Es muss ein Antrag auf Gleichstellung (Agentur für Arbeit) oder Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft (Versorgungsamt oder Kommune) gestellt worden sein. Dieser Antrag muss mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigungserklärung erfolgt sein.
Die zuständige Behörde bzw. die Agentur für Arbeit hat innerhalb der 3-Wochen-Frist keine Entscheidung getroffen (dies darf jedoch nicht in fehlender Mitwirkung des Betroffenen seinen Grund finden)
Ist eine ablehnende Entscheidung der Behörde getroffen worden, findet der besondere Kündigungsschutz auch dann keine Anwendung, wenn gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt wurde.
Um den besonderen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen zu können, sollte daher ein Verfahren auf Anerkennung einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung möglichst frühzeitig betrieben werden.
Zustimmung des Integrationsamtes: Der Arbeitgeber benötigt zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen die Zustimmung des Integrationsamtes. Die erforderliche Zustimmung ist wesentlicher Bestandteil des besonderen Kündigungsschutzes. Erst wenn diese Zustimmung vorliegt, kann der Arbeitgeber die Kündigung wirksam erklären. Eine ohne diese Zustimmung vorherig ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Die Kündigung wird auch nicht wirksam durch nachträgliche Genehmigung des Integrationsamtes.
Zustimmungsfrei ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter folgenden Voraussetzungen:
– Abschluss eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrages (birgt zudem die Gefahr einer Sperre durch das Arbeitsamt)
– Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den schwerbehinderten Arbeitnehmer
– Fristablauf bei Bestehen eines befristeten Arbeitsverhältnisses
– Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers innerhalb von sechs Monaten seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses
– Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmer, die sozial abgesichert sind (§ 90 I Nr. 3 SGB IX)
Schwerbehinderung und Sozialplan/Abfindung
Die Anerkennung einer Schwerbehinderung verhilft jedoch nicht nur zu einem verstärkten Kündigungsschutz, sondern wirkt sich positiv für den Arbeitnehmer bei Abfindungszahlungen im Rahmen von Sozialplänen aus. Hier kann sich die Abfindung durch die Anerkennung der Schwerbehinderung erhöhen.
Aber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bietet die Anerkennung einer Schwerbehinderung weitere Vorteile:
Neben der Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, die zeitlich befristet gewährt werden kann, besteht die Möglichkeit, eine Altersrente wegen Schwerbehinderung in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung hierfür ist unter anderem die Anerkennung einer Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50. Diese Anerkennung muss vor Beginn der Altersrente vorliegen. Unter Berücksichtigung bestimmter Stichtagsregelungen kann die Altersrente wegen Schwerbehinderung im Gegensatz zur Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge in Anspruch genommen werden.
Quelle: openPR
geschrieben von: Neues Unterhaltsames Interessantes von Budoten am: 21.10.2011bisher keine Kommentare
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Kategorien: Recht, Urteile
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