Verletzter Spaziergänger – haftet der Waldbesitzer?
Karin hatte das schöne Herbstwetter zu einem Kurzurlaub im Saarland genutzt und dort einen Waldspaziergang unternommen. Auf einem Forstwirtschaftsweg brach von einer neben dem Weg stehenden Eiche ein langer Ast ab und traf sie am Hinterkopf. Sie erlitt schwere Verletzungen und nimmt Walter, den Waldeigentümer, auf Schadenersatz in Anspruch. Walter ist Diplom-Forstwirt. Er ist sich keiner Schuld bewußt und weist Karins Schadenersatzforderung zurück. Er habe seinen Wald mit Hinweisschildern an den Wegen als Pivatgrundstück gekennzeichnet und damit jegliche Haftung ausgeschlossen. Karin habe das Waldgrundstück seiner Meinung nach auf eigene Verantwortung betreten.
Nachdem Karin Feststellungsklage auf Schadenersatz dem Grunde nach gegen Walter erhoben hatte, fragte Walter Rudi um Rat. Rudi fand heraus, dass in einem ähnlich gelagerten Fall das Landgericht Saarbrücken in erster Instanz die Klage einer geschädigten Frau abgewiesen hatte. In zweiter Instanz gab das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) dem Schmerzensgeldanspruch der Klägerin dem Grunde nach statt. Nach Auffassung des OLG müsse auch ein privater Waldbesitzer, der weiß, dass sein Wald von Erholungssuchenden frequentiert wird, zumindest gelegentlich die am Rande der Erholungswege stehenden Bäume kontrollieren. Bei konkreten Anhaltspunkten sei er gehalten, Maßnahmen zu ergreifen, um unmittelbare Gefährdungen auszuschließen. In jenem entschiedenen Fall sei von dem unfallverursachenden Baum schon lange eine akute Gefahr ausgegangen. Dies hätte nach Ansicht des Gerichts ein geschulter Baumkontrolleur bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus erkennen müssen.
Diese Rechtsauffassung des OLG teilte der Bundesgerichtshof (BGH) im Revisionsverfahren nicht und wies die Schadenersatzklage letztendlich am 02.10.2012 ab. Der BGH verneinte eine Haftung des Waldbesitzers. Laut BGH mußte der Waldbesitzer in jenem Fall das Betreten des Waldes dulden, weil gemäß § 25 des Waldgesetzes für das Saarland das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken jedermann gestattet ist. Die Benutzung des Waldes durch die geschädigte Klägerin geschah somit auf eigene Gefahr.
Aus der Duldungspflicht des Waldbesitzers sollen diesem keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten erwachsen. Er haftet laut BGH deshalb nicht für waldtypische Gefahren, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch sind. Dazu zählen insbesondere die Gefahren, die nicht durch die Natur bedingt sind. Die Gefahr eines Astabbruchs ist dagegen grundsätzlich eine waldtypische Gefahr. Sie wird nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte, so die Begründung des Bundesgerichtshofes (Az: VI ZR 311/11).
Walter sieht sich durch die höchstrichterliche Entscheidung in seiner Auffassung bestätigt und weiß nun, wie er seine Klageerwiderung gestalten wird.
(besprochen/mitgeteilt von Rechtsanwalt Bernhard LUDWIG, Bad Langensalza und Gotha)
Quelle: openPR
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Kategorien: Recht, Urteile