Kind oder Eltern – wer hat Schadenersatz zu leisten?
Lange haben sich Herbert und sein Bruder nicht gesehen, deshalb besuchte Herbert seinen kranken Bruder in Berlin. Doch in Berlin ist nicht nur der Kraftfahrzeugverkehr auf den Straßen größer als zuhause bei Herbert, auch mehr Radfahrer sind dort unterwegs.
Zehnjährige Kinder haben laut StVO den Fußweg mit dem Fahrrad zu befahren. Das tat auch der zehnjährige Martin in Berlin, doch plötzlich und für Herbert unerwartet wechselte Martin vom Fußweg auf die Fahrbahn, unmittelbar vor Herberts Auto. Herbert reagierte geistesgegenwärtig, bremste und riß das Lenkrad seines Golf herum. Martin kam unverletzt mit dem Schrecken davon, doch Herberts Golf und ein am Straßenrand parkender PkW, den Herbert bei dem Ausweichmanöver rammte, wurden stark beschädigt.
Martins Eltern wollten keinen Schadenersatz leisten. Sie meinten, Herbert hätte im Straßenverkehr aufmerksamer gegenüber Kindern sein müssen und sie hätten ihre Aufsichtspflichten gegenüber Martin nicht verletzt, folglich treffe sie kein Verschulden, als Voraussetzung für eine Schadenersatzpflicht.
Herbert war ratlos und fragte Rudi um Rat.
Haben der zehnjährige Martin oder dessen Eltern Herberts Schaden am Golf zu ersetzen? Herbert wollte Martins Eltern verklagen, schließlich verdienten beide gut, und sie hätten seiner Meinung nach ihr Kind besser erziehen und beaufsichtigen müssen. Der zehnjährige Martin war, abgesehen von seinem Taschengeld, vermögenslos. Von ihm hätte Herbert die erheblichen Reparaturkosten nicht ersetzt bekommen.
Rudi fand heraus, dass das Landgericht Berlin einen ähnlichen Fall zu beurteilen hatte (Az: 58 S 447/97) und entschied, dass allein das Kind für den Schaden hafte. Die Eltern mußten ihren Zehnjährigen nicht ständig überwachen, eine Verletzung der Aufsichtspflicht liege nicht vor, die Eltern mußten für das Fehlverhalten ihres Sohnes nicht haften. Im konkreten entschiedenen Fall handelte es sich um ein Großstadtkind, welches an den Straßenverkehr gewöhnt und das zum Unfallzeitpunkt bereits einige Jahre schulpflichtig gewesen war. Das Kind wurde durch seine Eltern unterwiesen und in der Schule habe es regelmäßig Verkehrserziehung erhalten.
Unsicherheiten im Umgang mit dem Fahrrad waren nicht erkennbar. Herbert kann also nur hoffen, dass der zehnjährige Unfallverursacher haftpflichtversichert war, ansonsten würde es sehr lange dauern, bis Herbert von Martin Schadenersatz erhalten würde. Herbert muß das Kind obendrein auf Schadenersatz verklagen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Eine erfolgreiche Vollstreckung aus dem Urteil würde Herbert jedoch erst in ferner Zukunft möglich werden.
(besprochen/mitgeteilt von Rechtsanwalt Bernhard LUDWIG, Bad Langensalza und Gotha)
Quelle: openPR
bisher keine Kommentare
Comments links could be nofollow free.
Kategorien: Recht, Urteile