Infektionsschutzgesetz – Und wie weiter?

Das neue Infektionsschutzgesetz soll es richten, was die unterschiedlichen Regelungen der Länder nicht geschafft haben … Ich kann mich persönlich des Eindrucks nicht erwehren, dass man in Berlin bemüht ist, die Verantwortung wegzuschieben, Schuldige zu suchen anstatt dort anzupacken, wo man auch wirklich etwas erreichen kann – nämlich bei den Menschen, bei den Betroffenen selbst.
Die besten Regeln, die gut gemeintesten Gesetze nützen nichts, wenn sie niemand befolgt, wenn niemand deren Sinn einsieht.
Die Regierung hat durch ihr mehr als widersprüchliches Handeln am Anfang der Corona-Krise ihren Vertrauensvorschuss verspielt. Ich erinnere nur an: „Masken bringen nichts“ versus „FFP2-Masken oder medizinische Masken sind Pflicht“ – Dass die wenigen Masken für das medizinische Personal reserviert bleiben sollten, war ein sinnvolles Ziel, doch die Strategie dazu war ein Desaster.
Am Anfang der Krise half der Regierung noch die allgemeine Panik, welche nicht zuletzt von den Medien in beeindruckender Weise mit Bildern aus Bergamo weiter geschürt wurde. Alle meinten, das Ende der Welt sei angebrochen. So war die Zustimmung für einschneidende Maßnahmen hoch, denn Bilder wie ein Bergamo wollte niemand in Deutschland haben.
Seither ist das Wissen um den Virus und seine Verbreitungswege stark gewachsen – ja es gibt sogar schon Impfstoffe, die nicht nur vor schweren Verläufen zuverlässig zu schützen scheinen sondern auch versprechen, dass die Pandemie bald unter Kontrolle gebracht werden könnte.
Doch noch immer werden alle Maßnahmen mit Inzidenzen begründet, deren Sinnhaftigkeit schon seit längerem von vielen ernstzunehmenden Wissenschaftlern in Frage gestellt wird.
Man ging früher davon aus, dass bis zu einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in einer Woche die Gesundheitsämter in der Lage sein würden, die Kontakte nachzuverfolgen und so das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bekommen.
Tatsache ist, dass die Gesundheitsämter schon mit dieser niedrigen Inzidenz völlig überfordert waren – nicht zuletzt auch weil sie noch mit völlig veralteten Methoden und umständlichen Arbeitsweisen versuchten einer modernen Bedrohung zu begegnen. Sie schafften es zu keinem Zeitpunkt „nur“ die Kontakte von 7 Infizierten täglich zu überprüfen und zu warnen.
Bei der groß angekündigten und Millionen Euro teuren Corona-WarnApp war der Datenschutz wichtiger als alles andere. Damit erwies sich die Corona-WarnApp als zahnloser Tiger, der bestenfalls – wenn denn ein Infizierter sein positives Testergebnis freiwillig umständlich eingegeben hatte – potentielle Kontakte davor warnte, dass sie irgendwann, irgendwo, irgendwen getroffen hatten, der ein Risiko darstellen könnte.
Eine solche Information nützt niemandem etwas.
Doch wir halten weiter an den Inzidenzwerten fest obgleich wir wissen, dass diese Werte überhaupt nichts über das Infektionsgeschehen aussagen.
In einem Kindergarten führen 62 positiv getestete Kinder dazu, dass die Inzidenz in einer kleinen Gemeinde auf über 1.500 ansteigt! Eine gefährlich hoch klingende Zahl! Doch tatsächlich zeigt sich, dass die 1.500 positiven Fälle überwiegend symptomlos sind und auch sonst in der Gemeinde abgesehen vom absoluten Herunterfahren des ohnehin stark eingeschränkten öffentlichen Lebens keine Auswirkung haben – vor allem keine Auswirkung auf das tatsächliche Infektionsgeschehen.
Wir testen mehr. Doch das Narrativ, dass die vermehrten Tests keine Auswirkung auf die Inzidenzen hätten wird weiter bemüht, je mehr noch: Noch immer wird behauptet, dass es trotz intensivierter Tests eine große Dunkelziffer nicht erkannter Infektionen gäbe. Das Bemühen, die Panik aufrecht zu erhalten, ist unverkennbar, denn damit lassen sich einschneidende Maßnahmen besser rechtfertigen.
Richtig ist, dass mehr Tests mehr positive Ergebnisse bringen, mehr Infektionen – auch symptomlose – erkannt werden und sich damit das Infektionsgeschehen besser unter Kontrolle bringen lässt, denn wer positiv auf Corona getestet wurde und sich verantwortungsbewusst verhält, der wird sich bis zu einem Negativ-Test von Kontakten fernhalten.
Mit dem Mehr an positiven Tests steigen auch zwangsläufig die Inzidenzen, denn die Inzidenzen sind direkt von der Zahl der durchgeführten Tests abhängig. Die Inzidenz für sich genommen besagt im Grunde überhaupt nichts. Mehr noch: Immer wieder fällt auf, dass trotz zurückgehender Neuinfektionen die offiziellen Inzidenzen sogar steigen.
Was kann man mit Zahlen anfangen, die im Grunde nichts aussagen, die sich sogar widersprüchlich entwickeln? – Richtig: Nichts.
Eine durchaus sinnvolle Größe wäre der R-Wert, der das tatsächliche Infektionsgeschehen abbildet.
Doch stattdessen werden alle Maßnahmen an Inzidenzen festgemacht, die eben gerade keinerlei Aussage darüber zulassen, ob Maßnahmen wirklich etwas bewirken oder das Infektionsgeschehen zu- oder abnimmt.
Einige Regionen haben bereits in der Vergangenheit erkannt, dass es ganz einfach ist, die Inzidenzen künstlich niedrig zu halten: Weniger Tests bedeutet eine niedrigere Inzidenz und damit auch mehr Möglichkeiten. Doch auch dies ist natürlich Blödsinn, denn letztlich muss es ja gerade darum gehen, die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen.
Einheitliche und vor allem nachvollziehbare und sinnvolle Maßnahmen sind sicherlich hilfreich und ein wichtiger Schritt, doch mangelt es aus Sicht vieler Mitmenschen gerade daran.
Inwiefern sind Blumenläden oder Buchhandlungen wichtiger als Schuh- oder Bekleidungsgeschäfte und verdienen damit eine Sonderrolle?
Warum brauchen wir einheitliche Regelungen für die Arbeitnehmer, die im öffentlichen Nahverkehr in der Großstadt zur Arbeit fahren und für jene, die auf dem platten Land mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren?
Oder eine Homeoffice-Pflicht für Mitarbeiter in Großraum-Büros (was noch sinnvoll sein dürfte) und in Einmann-Büros, die auch sonst niemanden treffen – weder auf dem Weg zur Arbeit noch auf der Arbeit?
Oder eine nächtliche Ausgangssperre auf dem platten Land, wo Nachts ohnehin nichts los ist?
Oder eine Maskenpflicht an der frischen Luft, in Parks, wo die Ansteckungsgefahr gegen Null tendiert?
Alles wird mit der drohenden Gefahr der Überlastung von Intensiv-Stationen und der damit drohenden Triage mit Verweis auf Bergamo und Frankreich begründet. Wie real ist diese Gefahr? Wäre es dann nicht Aufgabe der Regierung die erforderlichen Intensiv-Kapazitäten zu schaffen? – Natürlich kann man nicht binnen weniger Wochen einen Intensiv-Pfleger ausbilden, doch Kapazitäten kann man schaffen und mit einer klugen Personal-Ausstattung sogar die Möglichkeiten erheblich ausweiten. Wenn die Grundpflege eben nicht der Intensiv-Pfleger sondern der normale Krankenpfleger übernimmt und der Intensiv-Pfleger sich ausschließlich auf die speziellen Aufgaben, die besonderes Wissen und besondere Fertigkeiten voraussetzen, konzentriert, dann dürfte es sogar möglich sein, die Intensiv-Kapazitäten sehr großfristig erheblich auszuweiten.
Ziel sollte aber nicht sein, sich auf die Intensiv-Kapazitäten zu fokussieren sondern endlich einmal „zu Potte“ zu kommen und Lösungen zu finden anstatt immer nur Symptome zu behandeln und durch weitere bürokratische Hürden und Regelungen ein Vorankommen zu verzögern oder gar zu verhindern.
Letztlich liegt es an jedem Einzelnen – auch an mir oder Ihnen!
Wenn wir weniger unser eigenes Wohl in den Vordergrund stellen, sondern auch einmal mehr an andere denken, mehr Rücksicht üben und vor allem auch ehrlicher uns selbst und anderen gegenüber sind, dann kommen wir auch schneller gemeinsam an das Ziel.
So lange wir denken: „Sollen sich doch die anderen an die Regeln halten; ich mache, was ich will!“ wird daraus nichts.
Doch dazu muss die Politik auch verlässliche Regeln schaffen, die Öffnungsperspektiven beinhalten und die Rückkehr zu einer weitgehenden Normalität ermöglichen. So kritisch ich das Infektionsschutzgesetz im Großen und Ganzen sehe, so ist doch nicht zu verkennen, dass es der Versuch ist, auch einheitliche und verlässliche Regelungen zu schaffen.
Ich bin zuversichtlich, dass nicht zuletzt auch die Impfkampagne dazu beitragen wird, dass die Pandemie endlich unter Kontrolle kommt. Schön wäre es jedenfalls.
geschrieben von: Neues Unterhaltsames Interessantes von Budoten am: 23.04.2021bisher keine Kommentare

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